Zur Genehmigungsfreiheit von Kaufverträgen bei Beteiligung des Landes

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Agrarbetrieb 05/2021

Genehmigungsfreiheit eines Grundstückskaufvertrags nach § 4 Nr. 1 GrdstVG

 

Leitsätze des Autors

 

1.     

Ein Kaufvertrag über landwirtschaftliche Grundstücke ist auch dann nach § 4 Nr. 1 GrdstVG genehmigungsfrei, wenn der Bund oder ein Land nur zu einem geringen Teil vertragsbeteiligt ist.

2.     

§ 4 Nr. 1 GrdstVG soll vermeiden, dass eine nachgeordnete Behörde ein Rechtsgeschäft kontrolliert, an dem der Bund oder ein Land beteiligt ist.

 

OLG Oldenburg, Beschluss vom 3.12.2020 – 10 W 14/20 (Lw)

 

Der Sachverhalt

 

Das Land Niedersachsen ist zu 4/144 Miterbe einer Erbengemeinschaft. Zum Nachlass gehören mehrere landwirtschaftliche Grundstücke, die diese Erbengemeinschaft veräußert. Das zuständige Siedlungsunternehmen übt das Vorkaufsrecht nach § 4 Abs. 1 Reichssiedlungsgesetz (RSiedlG) aus. Der Landkreis als Genehmigungsbehörde versagt die Genehmigung des Kaufvertrags wegen einer ungesunden Verteilung von Grund und Boden.

 

Die Käufer beantragen hiergegen die gerichtliche Entscheidung. Das Landwirtschaftsgericht genehmigt den Kaufvertrag bezüglich eines von mehreren Grundstücken und weist den Antrag im Übrigen ab.

 

Mit der Beschwerde hiergegen begehren die Antragsteller auch die Genehmigung des Grundstückskaufvertrags hinsichtlich der übrigen Grundstücke und hilfsweise die Feststellung, dass der Kaufvertrag keiner Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz bedarf.

 

 

Die Entscheidung

 

Das OLG Oldenburg hebt den angegriffenen Bescheid des Landkreises insgesamt auf und stellt fest, dass der streitgegenständliche Kaufvertrag keiner Genehmigung nach §§ 1, 2 GrdstVG bedarf.

 

Der Grundstückskaufvertrag bedarf wegen der Ausnahmeregelung in § 4 Nr. 1 GrdstVG keiner Genehmigung nach §§ 1, 2 GrdstVG.

 

Unter Verweis auf die Entscheidung des BGH vom 28.4.2014 – BLw 2/13 genügt für die Anwendbarkeit des § 4 Nr. 1 GrdstVG jegliche Beteiligung des Bundes oder eines Landes, gleich wie geringfügig diese ist. Der Umstand, dass das Land Niedersachsen im hier entschiedenen Sachverhalt nur zu 4/144 auf der Verkäuferseite beteiligt ist, ist unerheblich. Der Gesetzestext erlaubt keine Differenzierung.

 

§ 4 Nr. 1 GrdstVG soll insbesondere vermeiden, dass eine nachgeordnete Behörde das vertragliche Verhalten des Bundes oder eines Landes überprüft. Auch obliegt dem Grundbuchbeamten nicht die Prüfung, ob eine Beteiligung des Bundes oder eines Landes an einer Vertragspartei hinreichend gewichtig ist, um die Genehmigungsfreiheit des Kaufvertrags auszulösen. Es gibt keinen Anlass für eine teleologische Reduktion des § 4 Nr. 1 GrdstVG.

 

 

Urteilsanmerkungen

 

von Rechtsanwalt Franz-Christoph Michel, Fachanwalt für Agrarrecht, Templin

 

 

Die Entscheidung des OLG Oldenburg setzt konsequent den Regelungsgedanken des § 4 Nr. 1 GrdstVG um und setzt der Einflussnahme der Genehmigungsbehörden eine zutreffende Grenze.

 

Nach § 2040 BGB kann eine Erbengemeinschaft nur gemeinsam über ein zum Nachlass gehörendes Grundstück verfügen. Damit ist im Falle einer Erbengemeinschaft jeder Miterbe an einem Grundstückskaufvertrag im Sinne des § 4 Nr. 1 GrdstVG „beteiligt“.

 

§ 4 Nr. 1 GrdstVG stellt Grundstückskaufverträge genehmigungsfrei, wenn auf Verkäufer- oder Käuferseite der Bund oder ein Land beteiligt ist. Es wird unterstellt, dass der Bund oder das beteiligte Land dann im Sinne der Agrarstruktur oder zumindest unter deren Berücksichtigung handeln. Das trifft gleichermaßen zu, wenn der Bund oder das Land allein als Vertragspartei oder zusammen mit anderen auftreten. In beiden Fällen kann unterstellt werden, dass der Bund oder das Land mit Bedacht einen Kaufvertrag schließt.

 

Sollte der Bund oder ein Land als Teil einer Gesamthandsgemeinschaft die Veräußerung an den konkreten Erwerbsinteressenten ablehnen, können sie dies nach § 2040 BGB verhindern und stattdessen eine Teilungsversteigerung herbeiführen. Der Eigentumsübergang erfolgt bei einer Teilungsversteigerung durch Staatsakt und ist damit ohnedies genehmigungsfrei.

 

Es besteht keine Veranlassung, dem Landkreis als Genehmigungsbehörde und nachgeordnete Behörde eine Kontrolle über das rechtsgeschäftliche Verhalten des Bundes oder Landes zu gewähren. Es ist widersinnig, wenn ein Landkreis die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts versagt, an dessen Abschluss eine für die Beachtung des Bodenmarktes zuständige Gebietskörperschaft beteiligt ist.

 

Das Grundbuchamt hat in eigener Zuständigkeit die Genehmigungsfreiheit nach § 4 GrdstVG zu prüfen und hat diese bei einer auch nur geringfügigen Beteiligung des Bundes oder eines Landes zu erkennen. Eine Antrag nach § 5 GrdstVG auf Feststellung der Genehmigungsfreiheit ist möglich, aber nicht zwingend.

 

Der dem OLG Oldenburg vorgelegte Vorgang bestätigt die häufige Beobachtung, dass die Genehmigungsbehörden ihre vermeintliche Pflicht, den Bodenmarkt zu beeinflussen und zu kontrollieren, überbewerten. Angesichts der aktuellen politischen Diskussion über nichtlandwirtschaftliche Investoren neigen Landkreise verstärkt dazu, eine Genehmigungspflicht oder einen Versagungsgrund contra legem zu erkennen, um den Kaufvertrag zu verhindern. Das sollte keine Veranlassung sein, vom Regelwerk des GrdstVG abzuweichen.

 

 

 

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