Maßgeblich für den Anspruch auf eine Fortsetzung des Pachtvertrags nach § 595 BGB ist die tatsächliche Dauer des Pachtverhältnisses und nicht die vertraglich vereinbarte Laufzeit

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Agrarbetrieb 02/2021

Leitsätze des Autors

 

1.     

Für die Fristen des § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB ist maßgeblich, wie lange das Pachtverhältnis bereits bestanden hat. Hierbei kommt es nicht auf die vertraglich vereinbarte Pachtdauer, sondern die tatsächliche Pachtdauer an.

 

2.     

Geringfügige Änderungen eines Pachtvertrags begründen kein neues Pachtverhältnis. Die Fristen des § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB laufen weiter. Gleiches gilt für einen Gesellschafterwechsel bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Pächterin.

 

OLG Stuttgart, Beschluss vom 11.7.2019 – 101 W 4/19*

 

Der Sachverhalt

 

Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der Fortsetzung des streitgegenständlichen Landpachtverhältnisses nach § 595 Abs. 1 Nr. 1 BGB. Die Antragstellerin bewirtschaftet den pachtgegenständlichen landwirtschaftlichen Hof seit 1987 durchgängig. Als Pächter trat die Antragstellerin durchgängig als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) auf. Anfänglich wurden die einzelnen Gesellschafter im Pachtvertrag ausdrücklich genannt. Im Rahmen einer Verlängerungsvereinbarung im Jahr 2010 wurde nur noch die „Betriebsgemeinschaft …. Hof GbR“ als Pächter genannt.

 

Die Antragstellerin begehrt die gerichtliche Entscheidung nach § 595 Abs. 6 und Abs. 7 BGB über eine Fortsetzung und die Dauer des Pachtverhältnisses sowie dessen Bedingungen. Sie beruft sich hier auf den Landpachtvertrag aus dem Jahr 2010, der 2022 endet.

 

Ein Vertragsformular aus dem Jahr 1993 wurde ausdrücklich als „Folgevertrag“ zum Pachtvertrag von 1987 bezeichnet. Das Vertragsformular aus dem Jahr 2010 ist ebenfalls als eine Fortsetzung nunmehr des Pachtvertrages von 1993 formuliert, in dem lediglich die Pachtdauer, der Pachtzins und die Entwicklung des Gesellschafterbestandes der Pächterin neu geregelt bzw. aufgenommen wurde. Im Übrigen soll das bisherige Vertragsverhältnis unverändert bestehen bleiben.

 

Das angerufene Landwirtschaftsgericht wies den Antrag auf Anordnung der Fortsetzung des zwischen den Beteiligten bestehenden Landpachtverhältnisses aus 2010 zurück. Der Antrag der Antragstellerin sei unbegründet, da nicht nur auf den Vertrag aus 2010 abzustellen sei, sondern bereits auf die Verträge aus dem Jahr 1987 und 1993. Die Ausschlussfrist von 18 Jahren nach § 595 Abs. 3 Nr. 3 1. Alt. BGB für eine Betriebspacht sei damit bereits seit langem überschritten. Maßgeblich sei entsprechend der herrschenden Meinung und obergerichtlichen Rechtsprechung bei der Beurteilung der Laufzeit die tatsächliche Pachtzeit und nicht die vertraglich vereinbarte Pachtdauer. Damit beträgt die für § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB heranzuziehende Laufzeit des Vertrages bereits 32 Jahre.

 

Die zwischenzeitlichen Änderungen der Laufzeit, des Pachtzinses und des Gesellschafterbestandes bedeuten nicht eine Neuverhandlung des gesamten Pachtverhältnisses und damit dessen Neubeginn, sondern sind eine Verlängerung der Pachtzeit zu einem geänderten Pachtzins. Der Vertragswille der Parteien ginge dahin, eine Vertragsänderung im Sinne einer Fortsetzung herbeizuführen und nicht die Begründung einer vollständig neuen Verpflichtung.

 

Hiergegen geht die Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vor und begründet dies damit, dass es auf die vereinbarte Pachtdauer ankomme.

 

Die Entscheidung

 

Das OLG Stuttgart weist die zulässige Beschwerde zurück.

 

Es kann offenbleiben, ob die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Fortsetzung des Pachtverhältnisses nach § 595 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 BGB vorliegen. Jedenfalls scheitert das Fortsetzungsbegehren an § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB, wonach dieser Anspruch bei einem Pachtvertrag mit einer Laufzeit von über 18 Jahren nicht besteht. Die Antragstellerin kann die Fortsetzung des Pachtverhältnisses daher nicht verlangen.

 

Maßgeblich ist hier nicht der Wortlaut der Vorschrift des § 595 Abs. 3 BGB, wonach die Fortsetzung nicht verlangt werden kann, „wenn die Laufzeit des Vertrages bei einem Pachtverhältnis über einen Betrieb … auf mindestens 18 Jahre vereinbart ist“. Entgegen dem Wortlaut kommt es nicht auf die vereinbarte Laufzeit an, sondern auf die tatsächlich längere Dauer des Pachtverhältnisses. Auch wenn vereinzelt in der Literatur dem Wortlaut folgend die Ansicht vertreten wird, dass es auf die vertraglich vereinbarte Pachtlaufzeit ankommt, ist die ansonsten durchgängige Ansicht in Rechtsprechung und Literatur, dass die tatsächliche Pachtdauer maßgeblich ist.

 

Ein Indiz hierfür ist § 595 Abs. 6 BGB, wonach das angerufene Landwirtschaftsgericht die Fortsetzung des Pachtverhältnisses nur bis zu einem Zeitpunkt anordnen kann, der die in § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB genannten Fristen nicht übersteigt. Es ist dabei vom Beginn des laufenden Pachtverhältnisses auszugehen.

 

Offen bleibt, ob bei Kettenpachtverträgen die jeweiligen Zeiträume zusammenzurechnen sind, da hier ohne Weiteres Verlängerungen und nicht neue (Ketten-)Pachtverträge vereinbart wurden. Dies folgt bereits aus dem Vertragsinhalt und der Bezeichnung der Verlängerungsverträge als „Folgevertrag zum Pachtvertrag vom 1.5.1987“ und „Änderung/Ergänzung des Pachtvertrages vom 23.11.1993“. Hierdurch wird unzweideutig zum Ausdruck gebracht, dass lediglich Änderungen hinsichtlich Pachtdauer und Pachtzins erfolgen sollen und nicht ein neues Pachtvertragsverhältnis begründet wird.

 

Auch personell handelt es sich auf Pächterseite um den identischen Pächter, nämlich die „Betriebsgemeinschaft … Hof GbR“. Lediglich der Gesellschafterbestand wechselte im Laufe der Zeit. Die Nennung einzelner Gesellschafter in den Vereinbarungen 1987 und 1993 sind lediglich darauf zurückzuführen, dass bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29.1.2001 – II ZR 331/00 die GbR noch nicht als (teil-)rechtsfähig angesehen wurde. Durchgängig war jedoch Vertragspartner die „Betriebsgemeinschaft … Hof GbR“.

 

 

Entscheidungsanmerkungen

 

von Rechtsanwalt Franz-Christoph Michel, Fachanwalt für Agrarrecht, Templin

 

 

Die Entscheidung des OLG Stuttgart setzt die in der Rechtsprechung und Kommentierung (z.B. OLG Köln vom 28.11.2013 – I-23 U 5/13 u.a.; Palandt

/Weidenkaff, BGB, § 595 Rn. 8;

Becker/Ogurtan in HLBS-Kommentar Landpachtrecht, 2. Auflage 2017, § 595 Rn. 36) vertretene Auffassung zu § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB fort.

 

§ 595 Abs. 1 BGB hebt für ein Fortsetzungsverlangen auf eine umfängliche Abwägung der beiderseitigen Interessen ab. Ausdrücklich wird als Voraussetzung insbesondere verlangt, dass die Beendigung des Pachtverhältnisses für den Pächter eine nicht zu rechtfertigende Härte bedeuten würde. § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB setzt dieser Abwägung jedoch eine zeitliche Grenze. Diese Interessenabwägung dem eher formalen Gesichtspunkt unterzuordnen, ob Verlängerungen oder Kettenpachtverträge vorliegen oder in einem Pachtvertrag die 12- bzw. 18-jährige Pachtdauer von Beginn an vereinbart wurde, wäre nicht nachvollziehbar.

 

Spätestens die Regelung in § 595 Abs. 6 BGB, dass die Fristen des § 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB auch die Landwirtschaftsgerichte bei einer Entscheidung über eine Fortsetzung des Pachtverhältnisses binden und hierbei auf den Beginn des laufenden Pachtverhältnisses abzustellen ist, lässt eine andere Auslegung nicht überzeugen.

 

Der Verpächter soll nach Ablauf von 12 bzw. 18 Jahren eines Pachtverhältnisses mit einem Pächter seine Privatautonomie zurückerlangen, selbst wenn aufgrund einer Interessenabwägung zuvor mit Rücksicht auf essenzielle Belange des Pächters eine Verlängerung des Pachtvertrages erforderlich war bzw. vom Landwirtschaftsgericht auf Antrag des Pächters entschieden wurde. Die zeitliche Einschränkung des Fortsetzungsverlangens soll nicht zuletzt eine „Erstarrung des Pachtmarktes“ verhindern. Ein überschießender Schutz des Pächters würde schlussendlich dazu führen, dass die Bereitschaft von Grundstückseigentümern, langfristig zu verpachten, substanziell geschwächt würde. Eine Ausweitung des Rechts aus § 595 BGB würde letztlich einen Verpächter veranlassen, nur noch den Pächter zu wählen, bei dem die vertragsmäßige Beendigung des Pachtverhältnisses nach einer vereinbarten Laufzeit keine Härte bedeuten kann. Das würde weder der Willensrichtung des Gesetzgebers im Landpachtrecht noch den agrarstrukturellen Zielsetzungen des Bundes und der Länder entsprechen.

 

Auch die Wertung, dass eine Pachtzinsanpassung und eine Laufzeitverlängerung kein neues Pachtverhältnis begründen, ist ohne Weiteres schlüssig. Es wäre widersinnig, wenn aus einer schriftlich fixierten Pachtzinsanpassung, zum Beispiel nach § 593 Abs. 1 BGB, ein neues Pachtverhältnis herleitbar wäre. Ausdrücklich handelt es sich dort nur um eine Änderung eines bestehenden Landpachtvertrages und nicht um die Neubegründung eines Landpachtverhältnisses.

 

§ 595 Abs. 3 Nr. 3 BGB wäre sinnentleert, wenn eine – nicht abdingbare – Pachtzinsanpassung nach § 593 BGB jeweils einen Neubeginn eines Pachtverhältnisses bedeuten würde.

 

Nichts anderes muss für die Verlängerung eines bestehenden Pachtverhältnisses gelten. Eine Verlängerung ist eben gerade nicht die Beendigung eines bestehenden Pachtverhältnisses und die Begründung eines neuen, sondern die Fortsetzung eines Dauerschuldverhältnisses mit einer neu vereinbarten Laufzeit.

 

Ebenso wenig ist nach der grundlegenden Entscheidung des BGH vom 29.1.2001 zur Rechtsfähigkeit und Parteifähigkeit der GbR vertretbar, dass ein Wechsel im Gesellschafterbestand einer pachtenden GbR und eine dahingehende Anpassung des Landpachtvertrages dem Abschluss eines neuen Pachtvertrages gleichkommt. Hier handelt es sich ohne Weiteres um eine – wenn auch entbehrliche – Klarstellung über den Gesellschafterbestand der pachtenden GbR, im Zweifel lediglich mit dem Wert für die andere Partei, Kenntnis über die Vertretungsverhältnisse und mögliche persönlich Haftende zu erlangen.

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