Ausweitung der Selbstbewirtschaftungsverpflichtung nach Flächenerwerbsverordnung

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Agrarbetrieb 04/2020

Leitsätze des Autors

1. Erwirbt ein Gesellschafter einer juristischen Person nach § 3 Abs. 2 Satz 4 Ausgleichsleistungsgesetz (AusglLeistG) vergünstigt Flächen von der BVVG, kann er wirksam verpflichtet werden, Gesellschafter der pachtenden Gesellschaft zu bleiben.

2. § 12 Abs. 1 c FlErwV eröffnet der BVVG die Möglichkeit, über die Regelungen des AusglLeistG und der FlErwV hinaus den Käufer zu einem bestimmten Verhalten – hier Verbleib in einer Gesellschaft – zu beauflagen und bei einem Verstoß hiergegen vom Grundstückskaufvertrag zurücktreten.

OLG Brandenburg, Urteil vom 9.8.2018 – 5 U 41/17

Der Sachverhalt

Der Beklagte war Kommanditist einer GmbH & Co. KG (Gesellschaft), die wiederum Pächterin landwirtschaftlicher Flächen der klagenden BVVG war. Der Beklagte erwarb 2002 und 2007 von der BVVG landwirtschaftliche Fläche nach § 3 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG. Er schied 2013 aus der Gesellschaft aus. Die gekauften Flächen blieben nach dem Kauf und dem Ausscheiden des Beklagten aus der Gesellschaft weiter an die Gesellschaft verpachtet.

In den Kaufverträgen ist geregelt, dass die BVVG vom Kaufvertrag u.a. zurücktreten kann, wenn der beklagte Käufer innerhalb der Zweckbindungsfrist seine Anteile an der Gesellschaft auf Dritte überträgt. In einer weiteren Vertragsklausel wird ein Rücktrittsgrund vorgesehen, wenn „sonstige, vergleichbar schwerwiegende Gründe i.S.d. § 12 Abs. 1 FlErwV vorliegen“.

Die BVVG hat den Rücktritt 2015 erklärt und die Rückauflassung klagweise geltend gemacht.

Das Landgericht Cottbus hat die Klage abgewiesen, da die oben erwähnte Vertragsklausel zum Verbleib in der Gesellschaft nach § 307 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 BGB den Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige und deshalb unwirksam sei.

Hiergegen legte die BVVG Berufung beim Brandenburgischen Oberlandesgericht ein, das den Beklagten zur Rückauflassung verurteilte.

Die Revision wurde nicht zugelassen. Eine Nichtzulassungsbeschwerde blieb erfolglos. Die zu entscheidende Rechtsfrage beträfe das AusglLeistG und damit auslaufendes Recht. Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtsfrage wurde deshalb verneint.

Das Urteil

Das Berufungsgericht folgt in seiner Begründung zunächst der Rechtsprechung des BGH, dass die BVVG bei der Gestaltung ihrer Grundstückskaufverträge nach dem Entschädigungs- und Ausgleichsleistungsgesetz (EALG) nicht frei, sondern an die Vorgaben des AusglLeistG und der FlErwV gebunden ist.

Es bejaht trotzdem die Wirksamkeit der in Rede stehenden vertraglichen Verpflichtung des Beklagten zum Verbleib in der pachtenden Gesellschaft. Es sieht hierin eine „funktionsäquivalente Bedingung beim Gesellschaftserwerb“nach § 12 Abs. 1 a) dd) FlErwV. Dort ist das Rücktrittrecht bei der Aufgabe der Selbstbewirtschaftung des Käufers geregelt.

Darüber hinaus sei die Anteilsveräußerung des Beklagten jedenfalls ein vergleichbar schwerwiegender Grund im Sinne von § 12 Abs. 1 c) 1. Halbsatz FlErwV. Die „Subventionsgewährung“ in Form des vergünstigten Erwerbs sei an die funktionale Beibehaltung der Selbstbewirtschaftung gebunden. Die Maßgaben in § 3 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG für den erwerbenden Gesellschafter seien nicht abschließend.

Urteilsanmerkungen

von Rechtsanwalt Franz-Christoph Michel, Fachanwalt für Agrarrecht, Templin

Die Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts verweist zwar auf die Rechtsprechung des BGH (zuletzt BGH, Urteil vom 14.9.2018 – V ZR 12/17). Demnach handelt die BVVG als staatliche Privatisierungsstelle im Rahmen des Verwaltungsprivatrechts und darf den Käufern nicht privatautonome Verpflichtungen auferlegen, die über das AusglLeistG und die FlErwV hinausgehen. Mit dem Argument der funktionsäquivalenten Bedingung und der Auffangklausel des § 12 Abs. 1 c) FlErwV verkehrt das Gericht diese Rechtsprechung des BGH aber in ihr Gegenteil.

Der Gesetzgeber hat in § 3 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG erkennbar abschließend geregelt, welche Maßgaben der kaufende Gesellschafter einer juristischen Person (die GmbH & Co.KG ist dieser über § 1 Abs. 5 FlErwV ausdrücklich gleichgestellt) nach dem Kauf einzuhalten hat: die Verpachtung an die Gesellschaft und die dingliche Haftung mit dem Kaufgegenstand für Gesellschaftsverbindlichkeiten.

Die weitergehende Verpflichtung eines Käufers, Kommanditist der originär erwerbsberechtigten Gesellschaft zu bleiben, ist fernliegend. Der Käufer kann schließlich als Kommanditist bereits nicht entscheiden, ob die Gesellschaft Pächter des Kaufgegenstandes bleibt. Insbesondere ist die Pönalisierung des Verlassens einer Gesellschaft ein tiefer Eingriff in die negative Vereinigungsfreiheit des Art. 9 Abs. 1 GG. Die Ausübung dieses Grundrechts als „vergleichbar schwerwiegenden Grund“ für einen Rücktritt vom Kaufvertrag zu werten, ist problematisch.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts verkennt insbesondere den Regelungsgedanken des § 3 AusglLeistG. Das Urteil sieht im Erwerbsrecht nach dem AusglLeistG unzutreffend schlicht eine Subventionierung des Käufers, der deshalb in seiner Entscheidungsfreiheit auf 20 (später 15) Jahre massiv einzuschränken sei. Deshalb sei er, in welcher Form auch immer, zur Selbstbewirtschaftung verpflichtet. Die Urteilsbegründung lässt offen, welcher gesellschaftliche Mehrwert und damit gesetzliche Zweck erreicht werden soll, wenn der an den Landwirtschaftsbetrieb verpachtende beschränkt haftende Gesellschafter seine Gesellschafterstellung weitere 15 Jahre beibehält.

Die Entscheidung lässt insbesondere außer Acht, dass die Einbeziehung der Pächter in das Erwerbsrecht nach § 3 AusglLeistG ausweislich der Motive ausdrücklich die Stärkung der vorhandenen landwirtschaftlichen Unternehmenzum Ziel hatte (vgl. BT Ds 12/7588, S. 43 zu § 4 (Siedlungskauf) zu den Absätzen 1 und 2). Der wirtschaftliche Vorteil des kaufenden Gesellschafters ist nicht Zweck, sondern Nebenwirkung dieser Vorschrift. Das gesetzgeberische Ziel ist, dem Unternehmen – also dem bei Kauf pachtenden landwirtschaftlichen Betrieb – den Kaufgegenstand für insgesamt 18 Jahre zur Bewirtschaftung zu sichern, ohne ihn mit dem Kaufpreis zu belasten. Der Gesetzgeber zielte damit auf die Stärkung der bestehenden Agrarstruktur. Deshalb ist es auch – bislang – unschädlich, wenn eine kaufende juristische Person ihren vollständigen Gesellschafterbestand austauscht und im Zuge dessen die Gesellschafter den Verkehrswert der gekauften Grundstücke realisieren. Dass im hier entschiedenen Fall hingegen das Verlassen der Gesellschaft „funktionsäquivalent“ zu einem Rücktrittsrecht führen soll, steht im Widerspruch zur Dispositionsfreiheit der Gesellschafter im Übrigen.

Die in der Entscheidung unterstellte Pflicht eines Käufers, seine Gesellschafterstellung gegen seinen und möglicherweise auch den Willen der Mitgesellschafter langfristig beizubehalten, birgt erheblichen Konfliktstoff. Eine Stärkung des Betriebs wird mit diesem Eingriff in die Privatautonomie der Gesellschafter keinesfalls erreicht.

Unbeachtet lässt das Urteil auch die Anlage 3 zu § 7 FlErwV. Die Anlage 3 ist ein Katalog von abzugebenden Erklärungen des kaufenden Gesellschafters. Dort wird in Ziffer 1 bis 9 geregelt, welche Bedingungen bei Abschluss des Kaufvertrags vorliegen müssen und in Ziffer 10 und 11, welche Verpflichtungen für die Zukunft einzuhalten sind, nämlich genau die in § 3 Abs. 2 Satz 4 AusglLeistG vorgesehenen: Verpachtung auf 18 Jahre und Haftung des Kaufgegenstandes. Es ist kaum anzunehmen, dass der Verordnungsgeber hier zentrale Pflichten wie den langfristigen Verbleib in der Gesellschaft vergessen haben soll. Eine Regelungslücke kann ausgeschlossen werden.

Es ist bedauerlich, dass der BGH die Sache als (lästiges?) auslaufendes Recht gewertet hat und eine Prüfung dieser schwer nachvollziehbaren Entscheidung abgelehnt hat. Die weitgehenden gesetzlich geregelten Maßgaben nach dem AusglLeistG stellen bereits eine erhebliche Belastung der Käufer über einen Zeitraum von 15 Jahren dar. Die Rechtsprechung des BGH sieht bislang in den gesetzlichen Vorgaben eine abschließende Regelung der Einschränkung der Handlungsfreiheit der Käufer für die Zweckbindungsfrist von 15 Jahren. Das Urteil des Brandenburgischen OLG steht diesem Vertrauen der Käufer in die Rechtsprechung des BGH entgegen. Das Urteil setzt die Käufer über die überdehnt genutzte Auffangklausel auch noch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung der Gefahr des Zugriffs der BVVG auf deren Eigentum aus.

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